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Die Qual der Wahl
Bild: (c) Depositphotos, UrheberIn am Beitragsende

Die Qual der Wahl

erstellt am 15. Feber 2024 

Die Anzahl der Möglichkeiten in unserem Leben scheinen stetig zuzunehmen. Wir haben mehr Handlungsspielraum, mehr Chancen zur Selbstbestimmung und damit auch mehr Entscheidungen zu treffen als ein Großteil aller Menschen in den Jahrhunderten vor uns. 

Freiheit und Verantwortung

Diese Freiheit geht einher mit mehr Verantwortung, mehr offenen Fragen und Überlegungen und anderen Denkleistungen, die wir für unsere Entscheidungen einsetzen.

Ergebnisse von Studien aus verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen wie der Psychologie, Hirnforschung, Soziologie und weiteren Forschungsgebieten untersuchen neben den kognitiven Aspekten auch emotionale und motivationale Beiträge zu und Folgen von Entscheidungen. Sie nutzen dazu unterschiedliche Erklärungsmodellen, was die Fülle an Entscheidungsoptionen mitbringt, und stoßen unter anderem auch auf folgende Erkenntnis: Ein Zuviel an Möglichkeiten bringt uns Menschen unter Druck.

Ein Zuviel des Guten, die Qual der Wahl

Ein Nebeneffekt der Erhöhung von Entscheidungsfreiheit und vor allem des (Über-) Angebots an Optionen ist eine zu beobachtende steigende Unzufriedenheit. Diese resultiert, so Bas Kast ("Ich weiß nicht, was ich wollen soll", Fischer, 2012) in Zusammenschau verschiedenster Studienergebnisse, aus folgenden Faktoren, die mit der Mehrauswahl an Möglichkeiten und der Erlaubnis, sich auch freier zu entscheiden, einhergehen:

  • Hat man mehr Möglichkeiten, aus welchen man wählen kann, so gibt es zeitgleich und folgerichtig auch mehr Optionen, von denen man sich stattdessen verabschieden muss. Dies ist mit Gedanken des Loslösens und möglicherweise auch Betrauerns, aber auch mit Reue verbunden. Vor allem dann löst dies Reue aus, wenn man nachfolgend aus diversen Gründen das Gefühl hat, "falsch entschieden zu haben".  Mehr Möglichkeiten heißen also gleichzeitig auch mehr Verzicht - nämlich auf das, wogegen man sich entschieden hat.

  • Die Erwartungen an das Gewählte steigen - nun hat man sich endlich aus so vielem heraus für eines entschieden, dann sollte sich das Gewählte doch bitteschön auch tatsächlich als "das Beste" herausstellen! Die Falle darin bedarf wohl keiner weiteren Ausführung... und der Kreis zu Punkt eins schließt sich. Die Qual der Wahl also.

  • Das Verantwortungsgefühl und somit der subjektive Druck steigen. Währenddessen wer gar nicht wählen kann, kann subjektiv auch nicht falsch entscheiden und etwas "falsch machen".

Grundsätzlich geht es daher also darum, dass ab einer bestimmten Menge von Entscheidungsalternativen (Angeboten) eine Sättigung erreicht wird, da gerade genannte Empfindungen eintreten. Genannt wird dieser Effekt der Sättigung "Regenbogenphänomen", da er graphisch dargestellt die Kurve eines Regenbogens beschreibt: Unsere Zufriedenheit zeigt sich am größten bei einer mittleren Anzahl von Optionen und ist bei wenigen Optionen genauso gering wie bei einem Überangebot.

Angebote und Anforderungen

Nachzuweisen ist dies sogar in unseren Hirnregionen: Die "Regenbogenform" trat in Abhängigkeit der Auswahlgröße in Hirnregionen auf, welche dem Belohnungs-zentrum zuzuordnen sind. Bei steigenden Auswahlangeboten stieg die Erregung in eben diesen Zentren an, um beim Erreichen des "Überangebotes" wieder stark zu sinken. 

Doch weshalb wird ein Überangebot mit angesprochenen Folgen derart wahrgenommen? Dafür gibt es verschiedene Erklärungsansätze. Wer mehr Optionen hat, hat auch mehr "zu tun": Es müssen Daten gesammelt und Vergleiche angestellt werden, um entscheiden zu können. Das heißt mit mehr Angebot ist auch mehr Aufwand in Form von Informationsverarbeitung und Denkleistungen verbunden - eine einfach Kosten-Nutzen-Erklärung also. Ein weiterer Erklärungsansatz betrifft die Frage, ob unsere begrenzte Speicherkapazität dazu beiträgt, bei zu viel des Guten an Grenzen zu stoßen. Wir können damit nicht mehr umgehen, da dieses Zuviel eine Überforderung in der Verarbeitung darstellt. George Miller konnte vor Jahrzehnten bereits in Studien zeigen, dass unsere Kurzzeitspeicherkapazität auf sieben (plus/minus zwei) Informationseinheiten beschränkt ist. 

Zufriedenheit

Vielleicht ist es daher sinnvoll, sich in unserer Welt, in der alles schneller, größer, besser werden will, genau dies immer wieder vor Augen zu führen. Manchmal ist weniger doch mehr! Bei aller Notwendigkeit der individuellen Entscheidungsfreiheit natürlich - entscheiden wir uns doch einfach mal wieder für weniger und damit für die Zufriedenheit!

(c) Bild, Depositphotos, Jan Anders Gustav Sandvik

Mag. Bettina Bickel

Mag.a Bettina Bickel

Mag. Bettina Bickel

Klinische Psychologin, Gesundheitspsychologin, 
Supervisorin und Coach
Mehr über michMag. Bianca Baumgartner

Mag.a Bianca Baumgartner

Klinische Psychologin, Gesundheitspsychologin, Psychotherapeutin (Verhaltenstherapie) in Ausbildung und unter Supervision
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